2019
Stellungnahme des Haager Kreises - Internationalen Konferenz für Steiner Waldorf Pädagogik
10 Prinzipien zur Erziehung in der digitalen Welt
Medien haben schon immer zur Bewusstseinsbildung und Kultur des Menschen beigetragen. Medienpädagogik in Form von Sprache, Schrift, und auch mathematischen Gedankenfolgen (Algorithmen) ist insofern ein traditionell elementarer Teil der Schulbildung. Heute durchdringen und prägen digitale Technologien unseren Alltag. Das bringt neue gesellschaftliche Herausforderungen, vor allem für Erziehung und Bildung. Dabei drohen ökonomische Interessen die Diskussion über die Bildung, die Kinder und Jugendliche für das Leben in der digitalen Welt benötigen, zu vereinseitigen. Nur eine an der Entwicklung der Kinder orientierte Pädagogik legt die Grundlage dafür, moderne Medien selbstbestimmt, kreativ und effektiv zu gebrauchen. Deshalb fordern wir Rahmenbedingungen, in denen sich die nachfolgenden Prinzipien realisieren lassen:
1. Medienmündigkeit ist ein Bildungsziel mit zentraler Bedeutung, das nur durch eine an der Entwicklung des Kindes zur autonomen Persönlichkeit orientierten Pädagogik erreicht werden kann.
2. Eine verantwortliche Medienpädagogik nimmt sowohl die Chancen als auch die Risiken und ethischen Herausforderungen der Mediennutzung in den Blick; sie zielt darauf, das Kind in sich und der Welt so zu verankern, dass es die modernen Medien selbstbestimmt und reflektiert zu nützen lernt.
3. Gesunde und nachhaltige schulische Bildung fördert deshalb zunächst eine vielfältige, unmittelbare, direkte und alle Sinne kultivierende, individuelle Welt- und Sozialerfahrung.
4. Eine entwicklungsorientierte Medienpädagogik stärkt zuerst die handlungsrelevanten, sozialen, kommunikativen und intellektuellen Fähigkeiten der Kinder (indirekte Medienpädagogik), um darauf die Fähigkeiten und Kompetenzen zur Mediennutzung aufzubauen (direkte Medienpädagogik).
5. Ein an den Entwicklungsaufgaben der Kinder orientierter Lehrplan für Medienpädagogik legt insofern im Kindergarten und in den ersten Schuljahren den Schwerpunkt auf reale Primärerfahrungen sowie die Beherrschung analoger Medien, wie beispielsweise die Handschrift. Auf dieser Grundlage bauen in den späteren Klassen die aktive Medienarbeit mit digitalen Geräten sowie die Anregung einer reflektierten und auf Selbstreflexion beruhenden Mediennutzung auf.
6. Kindergärten und Schulen müssen in größtmögliche Entscheidungsfreiheit über Aufbau und Umsetzung ihrer Medienpädagogik entscheiden können. Deshalb ist zu gewährleisten, dass sie das Recht und die Möglichkeit haben, in den ersten Schuljahren nur mit analogen Medien zu arbeiten. Ab der Mittelstufe sollen die Schulen bei der technischen Ausstattung mit modernen Medien unterstützt werden, damit eine den schulischen Bildungsprozess unterstützende Mediennutzung aufgebaut werden kann.
7. Bildung und Pädagogik dienen der Individuation. Ökonomische bzw. kommerzielle Interessen dürfen das Bildungswesen nicht bestimmen.
8. Die digitale Zivilisation bringt neue Herausforderungen für den Schutz von Freiheit und Würde der Persönlichkeit mit sich. Deshalb muss in der Schule ab der Mittelstufe die Auseinandersetzung mit der Funktionsweise von Algorithmen, mit dem Datenschutz, den Nutzungsrechten am geistigen Eigentum anderer, mit den Risiken kommerzieller Manipulationen insbesondere bei der Preisgabe persönlichkeitsbezogener Daten, Informationen und Bilder sowie eine die Würde und Privatsphäre anderer respektierende Nutzung angebahnt werden.
9. Moderne Medien erschließen neue Kommunikationsformen, kreative und künstlerische Möglichkeiten sowie unternehmerische Aktivitäten. Dieser über Informationsbeschaffung und Informationsaustausch hinausgehende produktive Gebrauch ist in der Schule durch Projekte zu erschließen, in denen Gestaltungsideen einzeln und in Teams ausprobiert und ausgewertet werden können.
10. Moderne Medien werfen ethische und erkenntnistheoretische Fragen auf, die u.a. die Felder der Bedeutung menschlicher Begegnung, der konkreten Beziehung zur umgebenden Welt, der faktischen Rückbindung von Aussagen und Urteilen, der personengebundenen Verantwortung, des Transhumanismus, den Persönlichkeitsschutz, der Entscheidungsräume, ob und wie weit man an der digitalen Zivilisation teilhaben möchte, betreffen. Insofern ist in der Oberstufe der Mediengebrauch sowie die Möglichkeiten und Risiken der Digitalisierung aller Lebensbereiche unserer Zivilisation auf einer Metaebene im Unterricht anzuregen.
Kommentare
Zu 1. Medienmündigkeit ist ein Bildungsziel mit zentraler Bedeutung, das nur durch eine an der Entwicklung des Kindes zur autonomen Persönlichkeit orientierten Pädagogik erreicht werden kann.
Es ist allgemeiner Konsens und erklärtes Ziel jeder zeitgemäßen Pädagogik, dass Kinder am Ende ihrer Schulzeit den Anforderungen des Lebens in der digitalen Welt gewachsen sein sollten Worüber allerdings intensiv diskutiert werden muss, ist Methodik, wie das Bildungsziel „Medienmündigkeit“ erreicht werden soll. Wir sehen als wesentliche Voraussetzung für eine selbst- bestimmte Mediennutzung die Berücksichtigung der Bedingungen für eine gesunde leibliche und seelische Entwicklung jeden Kindes, damit so die Basis für ein handlungsorientiertes, persönlich gestaltetes Leben und damit für jede souveräne Mediennutzung gelegt wird.
Zu 2. Eine verantwortliche Medienpädagogik nimmt sowohl die Chancen als auch die Risiken und ethischen Herausforderungen der Mediennutzung in den Blick; sie zielt darauf, das Kind so zu in sich und der Welt zu verankern, dass es die modernen Medien selbstbestimmt und reflektiert zu nützen lernt.
Digitale Technologien sind zweifelsohne ein großer Fortschritt der Menschheit. Ihre Möglichkeiten sind längst noch nicht ausgeschöpft. Sie werden die Zivilisation im 21. Jahrhundert prägen. Gerade deshalb sollte aber auch die bedenklichen und schädlichen Begleiterscheinungen wie Realitätsverlust, Onlinesucht, Manipulationen, Entwürdigungen und sozialer Autismus beachtet und in den medienpädagogischen Konzepten berücksichtigt werden. Die Risiken der Nutzung digitaler Medien sind umso größer, je jünger und unerfahrener die Kinder sind. Bildschirmmedien sind oft „Zeitfresser“, denn sie nehmen dem Kind wichtige Zeit für individuelle Aktivitäten und verringern damit die Ausbildung seiner Fähigkeit, mit der realen Welt zurechtzukommen. Für jede Ich-Erfahrung sind die sich in Raum und Zeit ereignenden Grenzerfahrungen und Konsequenzen konstitutiv. So wenig wie man sich im virtuellen Raum satt essen kann, so wenig vermag das Kind in der Auseinandersetzung mit der Bildschirmwelt eine gesunde leibliche und eine erfahrungsgesättigte mentale Reifung zu vollziehen. Eine umfassende Stärkung der Persönlichkeit ist Voraussetzung für den selbstbestimmten und ethisch verantwortlichen Gebrauch digitaler Medien.
Zu 3. Gesunde und nachhaltige schulische Bildung fördert deshalb zunächst eine vielfältige, unmittelbare, direkte und alle Sinne kultivierende, individuelle Welt- und Sozialerfahrung.
Die indirekte Medienpädagogik bildet die im Zeitalter der digitalen Techniken wichtigen Fähigkeiten aus: konzentrierte Aufmerksamkeit, differenzierende Wahrnehmungen, Selbstdisziplin, Initiativfähigkeit und vor allem Allgemeinbildung, um Informationen in Wissen umschmelzen zu können. Diese Fähigkeiten bilden sich in der unmittelbaren Ich-Welt-Beziehung aus. Angesichts des zunehmenden Cyberbullyings ist es deshalb pädagogisch wichtig, den Kindern reale Erlebnisfelder zu bieten, in denen sie den respektvollen und achtsamen Umgang mit anderen Menschen üben können. Angesichts der ökologischen Herausforderungen ist es zudem wichtig, für Kinder eine unmittelbare und sinnesgestützte Beziehung zu umgebenden Welt zu ermöglichen, denn nur so wird diese für den Menschen schützenswert.
Zu 4. Eine entwicklungsorientierte Medienpädagogik stärkt zuerst die handlungsrelevanten, sozialen, kommunikativen und intellektuellen Fähigkeiten der Kinder (indirekte Medien- pädagogik), um darauf die Fähigkeiten und Kompetenzen zur Mediennutzung aufzubauen (direkte Medienpädagogik).
Indirekte Medienpädagogik bildet die sozialen, kommunikativen und ökologischen Kompetenzen aus, die im Zeitalter der digitalen Kommunikationsnetze in besonderem Maße gebraucht werden. Sie schafft die Voraussetzungen zum zielführenden Gebrauch der digitalen Medien bei der Bewältigung technischer, sozialer und ökologischer Probleme. - Direkte Medienpädagogik zielt einerseits darauf, die digitalen Medien vor allem in schulische Bildungsprozesse einzubinden, d.h. neben dem außerschulischen Mediengebrauch mit seinen Schwerpunkten Unterhaltung und Kommunikation den zweckorientierten Gebrauch zur Informationsgewinnung, zu Gestaltung und Interaktivität zu etablieren. Andererseits muss direkte Medienpädagogik die Schüler*innen damit bekannt machen, dass sie Bildern und Aussagen im digitalen Netz nicht naiv vertrauen dürfen, dass sie die Verwendung von im Netz preisgegebenen Informationen nicht kontrollieren können und dass sie diese Medien nicht persönlichkeitsverletzend und manipulierend einsetzen.
Zu 5. Ein an den Entwicklungsaufgaben der Kinder orientierter Lehrplan für Medienpädagogik, wie ihn die Waldorfpädagogik vertritt, legt insofern im Kindergarten und in den ersten Schuljahren den Schwerpunkt auf reale Primärerfahrungen sowie die Beherrschung analoger Medien, wie beispielsweise die Handschrift. Auf dieser Grundlage bauen in den späteren Klassen die aktive Medienarbeit mit digitalen Geräten sowie die Anregung eine reflektierten und selbstreflexiven Bewusstseins der Mediennutzung auf.
Die am Kind orientierte Medienpädagogik regt in der Vorschulzeit vielfältige Primärerfahrungen an und vermittelt in den unteren Klassen zuerst analoge Techniken. Bis etwa zum 8. Lebensjahr stehen als Aufgaben des Kindes die Entwicklung des Leibes, der Grob- und Feinmotorik, der Sprache, die Ausbildung der Sinne bzw. der Sensomotorik im Mittelpunkt. Die zunehmende Körperbeherrschung geht mit dem Aufbau der Gehirnstrukturen einher. Die gesunde Hirnentwicklung setzt deshalb eine vielseitige Welterfahrung mit allen Sinnen und ein aktives Tätigsein voraus. Ab dem 12. Lebensjahr entwickelt sich das vernunftorientierte, formal-operationale Denken, so dass erst jetzt ein tieferes Verständnis digitaler Verfahren und Geräte bzw. der prinzipiellen Funktionsweisen der Informationstechnologien pädagogisch sinnvoll anzuregen ist. Die ersten Grundlagen lassen sich zu Beginn auch ohne Einsatz von digitalen Geräten vermitteln (z.B. CS Unplugged), d.h. man braucht kein Ipad bzw. ein elektronisches Gerät, um Algorithmen zu verstehen. Das „Computational Thinking“ kann zunächst auch analog entwickelt werden. Hard- und Software werden eingesetzt, wenn die intellektuellen und ethischen Voraussetzungen gebildet wurden, diese im Lernalltag umfassend, kreativ und zielbewusst einzusetzen. Dabei sind digitale Werkzeuge in ein sinnvolles pädagogisches Konzept einzubinden. Jugendliche sollen bevorzugt die Möglichkeit erhalten, digitale Medien aktiv zu nutzen, indem sie zum Beispiel selbst Videofilme herstellen, Webseiten selbst gestalten und online Texte veröffentlichen oder selbst ein Radio-Feature zu einem schulischen Thema produzieren sowie Informationen in Erkenntnisprozesse und Kontexte zu integrieren. Ab 16 Jahren etwa sind Jugendliche in der Lage, selbstverantwortlich zu denken und zu handeln. Medienmündigkeit wird auf dieser Grundlage ausgestaltet, indem nun Fragen des Verhältnisses von Mensch und künstlicher Intelligenz, also Fragen des Transhumanismus, der differenzierten Kommunikationsebenen, der Verantwortungsdiffusion und der Gestaltung der Gesellschaft befragt und ausgelotet werden.
Zu 6. Kindergärten und Schulen müssen in größtmögliche Entscheidungsfreiheit über Aufbau und Umsetzung ihrer Medienpädagogik entscheiden können. Deshalb ist zu gewährleisten, dass sie das Recht und die Möglichkeit haben, in den ersten Schuljahren nur mit analogen Medien zu arbeiten. Ab der Mittelstufe sollen die Schulen bei der technischen Ausstattung mit modernen Medien unterstützt werden, damit sie eine den schulischen Bildungsprozess unterstützende Mediennutzung aufgebaut werden kann.
Bildungspolitisch ist, damit eine verantwortlichen, reflektierten und selbstbestimmten Mediennutzung in der skizzierten Form aufgebaut werden kann, zu gewährleisten, dass die Nutzung digitaler Medien für die Kleinkindphase und frühe Schulzeit nicht vorgeschrieben ist. Die Fokussierung der gegenwärtigen Diskussion auf digitale Technologien lässt vergessen, dass die Beherrschung der „alten“ Medien, vor allem der Schrift, eine unbedingte Voraussetzung für den mündigen Umgang mit digitalen Informationstechnologien darstellt. Mit Schreiben- und Lesen-Lernen beginnt auch heute noch die Medienpädagogik; denn die Beherrschung der Schrift ist die Basisfähigkeit, auf der alle weitere Medienmündigkeit aufbaut. Digitale Verfahren lösen zunehmend die analogen ab. Dabei werden vielfach die Grundkonzepte der alten analogen Technologien in digitale umgesetzt. Deshalb ist das Verständnis der analogen Technologien nach wie vor wesentlich dafür, dass deren Erweiterung durch digitale Technologien erfasst werde kann. Wir fordern, öffentliche Gelder zuerst in die gute Ausbildung von Pädagogen und eine kindgerechte Gestaltung von Kindergärten und Schulen zu investieren, bevor man digitale Geräte anschafft. Wir fordern außerdem, gute Weiterbildungsangebote zur Ausbildung der Medienkompetenz von Eltern und Pädagogen, damit sie selbst vorbildliche Nutzer werden. Der Absurdität, dass für die Renovierung maroder Schulhäuser kein Geld vorhanden ist, für die Ausstattung mit digitalen Geräten aber mehr als genug, muss Einhalt geboten werden. Die ab der Mittelstufe notwendige und finanziell durch die öffentliche Hand zu unterstötzende technische Ausstattung mit digitalen Medien ist Bestandteil einer intakten Lerninfrastruktur, zu der Gebäude, Räume aber auch inklusive und fördernde Angebote sowie eine angemessene Personal- ausstattung gehören.
Zu 7. Bildung und Pädagogik dienen der Individuation. Ökonomische bzw. kommerzielle Interessen dürfen das Bildungswesen nicht bestimmen.
Die mit der digitalen Ausstattung von Vorschule und Schule verbundenen Zielsetzungen sind keinesfalls nur von Bildungsaspekten und den Sorgen um die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft, sondern zweifelsohne auch von kommerziellen Interessen bestimmt. Eine kritische, konsumbewusste und selbstbestimmte Mediennutzung liegt nicht im ökonomischen Interesse, sondern im Interesse der Autonomie der Person. Sie kann nur aufgebaut werden, wenn der pädagogische Handlungsraum politisch gegenüber der Einflussnahme derer geschützt wird, die an den digitalen Techniken und Netzen verdienen. Die der Förderung von Individuation verpflichtete Waldorfpädagogik sieht die Stärkung der Lehrfreiheit als Voraussetzung dafür, dass der Gesellschaft durch initiative, kreative und sozial verantwortliche Individuen Erneuerung zuwächst.
Zu 8. Die digitale Zivilisation bringt neue Herausforderungen für den Schutz von Freiheit und Würde der Persönlichkeit mit sich. Deshalb muss in der Schule ab der Mittelstufe die Auseinandersetzung mit der Funktionsweise von Algorithmen, mit dem Datenschutz, dem Nutzungsrechten am geistigen Eigentum anderer, mit den Risiken kommerzieller Manipulationen insbesondere bei der Preisgabe persönlichkeitsbezogener Daten, Informationen und Bilder sowie eine die Würde und Privatsphäre anderer respektierende Nutzung angebahnt werden.
Einer die selbstbestimmte Persönlichkeit intendierende Medienpädagogik muss es ein zentrales Anliegen sein, die technischen und gesellschaftlichen Aspekte digitaler Medien sowohl für die kritische, problembewusste Reflexion, als auch für die zukunftsorientierte Nutzung zum Wohle aller zu erschließen. Dies setzt neben theoretischer und erkenntnisorientierter Bildung auch die Praxiserfahrung voraus. Aus Reflexion und Erfahrung sind Wachheit und Sensibilität für die Bedrohung der Privatsphäre und Persönlichkeit, aber auch Perspektive für die dem Gemeinwohl dienende Weiterentwicklung der digitalen Zivilisation zu generieren.
Zu 9. Moderne Medien erschließen neue Kommunikationsformen, kreative Möglichkeiten und unternehmerische Aktivitäten. Dieser über Informationsbeschaffung und Informationsaustausch hinausgehende produktive Gebrauch ist in der Schule durch Projekte zu erschießen, in denen Gestaltungsideen einzeln und in Teams ausprobiert und ausgewertet werden können.
Die Schulen müssen verstärkte Anstrengung aufwenden, um die Schülerinnen und Schüler in den produktiven und aktiven Gebrauch digitaler Medien einzuführen. Insbesondere sind dabei die neuen Formen der Teamarbeit, der gemeinsamen Produktherstellung, des Austausches und der Dokumentation zu berücksichtigen. Medienkompetenz kann so in Projekten, z.B. Film- und Hörspielproduktion, Entwickeln von Programmen oder Apps, erweitert werden. Hierbei geht es nicht um die Nutzung von Lernsoftware, sondern die eigenständige Erstellung als Weg zum Verstehen. Die Schulen benötigen für diesen Bildungsauftrag und den dafür notwendigen Aufbau technischer und personeller Ressourcen Unterstützung.
Zu 10. Moderne Medien werfen ethische und erkenntnistheoretische Fragen auf, die u.a. die Felder der Bedeutung menschlicher Begegnung, der konkreten Beziehung zur umgebenden Welt, der faktischen Rückbindung von Aussagen und Urteilen, der personengebundenen Verantwortung, des Transhumanismus, den Persönlichkeitsschutz, der Entscheidungsräume, ob und wie weit man an der digitalen Zivilisation teilhaben möchte, betreffen. Insofern ist in der Oberstufe eine differenzierte Reflexion des individuellen Mediengebrauchs sowie der Möglichkeiten und Risiken der Digitalisierung aller Lebensbereiche auf Metaebene im Unterricht anzuregen.
Im Zentrum der Waldorfpädagogik steht die Förderung der Individuation. Die damit verbundene Autonomie der Person basiert auf Selbstreflexion und Reflexion der Umgebungsbedingungen. Die digitale Zivilisation birgt Potentiale der Bedrohungen der Menschenwürde, der Privatsphäre, der freien Entscheidungsmöglichkeit und Meinungsbildung. Sie fordert neue gesellschaftliche Spielregeln bzw. die Übertragung der Normen, die individuelles Menschsein ermöglichen, in neue Dimensionen. Mit anderen Worten: die digitale Zivilisation muss gestaltet werden. Der dazu notwendige Diskurs schließt Bildung ein und muss in der Schule von den in diese Welt hineinwachsenden Jugendlichen begonnen werden.